Die Schlacht bei Minden am 1. August 1759 war eines der wichtigsten Ereignisse während des Siebenjährigen Krieges in Nordwestdeutschland. William Roys (1726-1790) Plan of the Battle of Thonhausen (London 1760) erinnerte an diesen britisch-hannoverisch-preußischen Sieg über die französische Armee. Die Schlacht findet in der Traditionspflege der britischen Armee bis heute ihren Nachhall. Es lag aber auch ein Schatten über den Ereignissen. So spielte Roys Karte in einem der großen Skandale des Siebenjährigen Krieges eine Rolle: Sie diente in ihrem Erscheinungsjahr 1760 als Beweismittel im Kriegsgerichtsprozess gegen den britischen General Lord George Sackville (1716-1785). Die Karte selbst ist eine qualitative hochwertige Arbeit und zeigt die Vorgeschichte und den Ablauf der Schlacht vom 14. Juli bis zum 2. August 1759. Als Beispiel für die im 18. Jahrhundert vermehrt aufkommenden Klappkarten stellt sie eine kartografische Besonderheit dar. Ihr Urheber William Roy war ein wichtiger Pionier der britischen Kartografie.
Das Annus mirabilis 1759
Zu Beginn des Jahres 1759 war noch nicht absehbar, dass es in seinem Verlauf zu einer Reihe entscheidender Ereignisse kommen sollte, die – so zumindest das gängige Geschichtsbild der borussischen wie britischen Historiografie – Preußen das Überleben sichern und Großbritannien die Weltherrschaft bescheren sollten. Aus britischer, hannoverscher und preußischer Sicht war die Lage besorgniserregend. Frankreich schmiedete Pläne für eine Invasion der britischen Inseln und die alliierte Armee unter Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg (1721-1793) scheiterte mit der Niederlage in der Schlacht von Bergen bei Frankfurt am Main am 13. April 1759 daran, eine Vereinigung der beiden im Reich operierenden französischen Armeen zu verhindern. Preußen wiederum sah sich einer französisch-österreichisch-russischen Übermacht gegenüber, die seine Existenz aus Westen, Süden und Osten bedrohte.
Vom Krieg stark geschwächt musste Preußen zunächst Österreich und Russland die Initiative überlassen. Als es zu einem Aufeinandertreffen in der Schlacht bei Kunersdorf am 12. August 1759 kam, musste die preußische Armee unter der Führung ihres Königs Friedrich II. (1712-1786) eine empfindliche Niederlage einstecken, die allein etwa 15.000 preußischen Soldaten das Leben kostete. Friedrich konnte von Kugeln getroffen nur knapp entkommen. Das „Mirakel des Hauses Brandenburg“ bestand anschließend aber eher darin, dass die preußische Armee nach der verlorenen Schlacht nicht von ihren österreichischen und russischen Gegnern aufgerieben wurde. Verantwortlich dafür war weniger die königliche Fortune als die geschickten Manöver der zweiten preußischen Armee unter dem Kommando von Prinz Heinrich von Preußen (1726-1802), durch die es gelang, die Österreicher zu binden.
Aus britischer Sicht wurde 1759 zum Annus mirabilis, in dem sich das Kriegsglück auf wundersame Weise wandte. Aus einer defensiven Position gelangen entscheidende Schläge gegen Frankreich. Dies bannte die Gefahr einer Invasion und sicherte die britische Dominanz in den Kolonien. Zu Jahresbeginn standen Erfolge in der Karibik, die es erlaubten die Ressourcen der Kriegsmarine auf die Blockade der französischen Häfen zu richten. Der endgültige Wendepunkt war die Eroberung von Quebec im September, die London die Kontrolle über ganz Nordamerika bescherte. Auf dem Weg dorthin war so gesehen die siegreiche Schlacht bei Minden ein wichtiger Schritt. Sie sorgte auch auf dem Kontinent dafür, dass dort die britischen Interessen gegen französische Angriffe gesichert waren. Insgesamt wurde, so die gängige britische Deutung, die konkurrierende Kolonialmacht im Laufe des Jahres 1759 entscheidend geschwächt und der Aufstieg des britischen Empire ermöglicht.
Die Schlacht bei Minden
Nach der britischen Kriegserklärung gegen Frankreich wurde 1757 eine Observationsarmee unter dem Kommando von Wilhelm August, Herzog von Cumberland (1721-1765), auf den Kontinent geschickt, um die welfischen Stammlande zu schützen. Am Beginn des Siebenjährigen Krieges in Nordwestdeutschland stand eine schwere Niederlage der britischen Observationsarmee gegen die französische Armee in der Schlacht bei Hastenbek am 26. Juli 1757. Anschließend musste sich die britisch-hannoversche Armee nach Stade zurückziehen und für neutral erklären. Nach der Absetzung von Wilhelm August und Berufung von Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg (1721-1793) als neuem Oberkommandierenden der alliierten britisch-hannoverisch-preußischen Armee konnten im Laufe des Jahres 1758 die französischen Streitkräfte mehrmals geschlagen und über den Rhein zurückgedrängt werden. Im darauffolgenden Jahr gelang es der französischen Armee eine alliierte Offensive zurück zu schlagen und selbst gegen Hannover vorzurücken. Dieser Vormarsch endete im Sommer 1759 vor Minden, wo es am 1. August zur Schlacht zwischen den beiden Armeen kam. In den folgenden Kriegsjahren versuchte Frankreich gelegentlich von Hessen Richtung Hannover vorzustoßen, allerdings gab es nach dem alliierten Sieg bei Minden keine Operationen mehr, die das Kurfürstentum existentiell bedrohen konnten.
In der Schlacht bei Minden traf eine etwa 40.000 Mann starke Koalitionsarmee aus britischen, preußischen, kurhannoverschen und hessen-kasselschen Truppen unter dem Kommando von Ferdinand von Braunschweig auf die französische Armee mit einer Stärke von etwa 55.000 Mann, die unter dem Kommando des Marquis de Contades (1704-1793) stand. Die Schlacht begann mit einem französischen Aufmarsch früh morgens gegen vier Uhr und war bereits am Vormittag beendet. Die heftigsten und verlustreichsten Kämpfe fanden beim Dorf Hahlen und auf der Minderheide statt. Am Ende stand ein Sieg der alliierten Armee, der unterschiedlichen Quellen zufolge zwischen 5.000 und 10.000 Soldaten das Leben kostete. Über 80% der Verluste waren auf französischer Seite zu beklagen. Nach dem Ende der Kampfhandlungen zog sich die französische Armee nach Osten über die Weser zurück. Am folgenden Tag kapitulierte die französische Besatzung von Minden und übergab die Stadt.
Während der Schlacht hatten sich auf alliierter Seite die britischen Infanterieregimenter auf dem rechten Flügel besonders hervorgetan, aber große Verluste erlitten. Ihr Einsatz wurde in der Retrospektive zum schlachtentscheidenden und heldenhaften Kampf stilisiert. Bis heute spielt daher der 1. August eine wichtige Rolle in der militärischen Traditionspflege der beteiligten Regimenter und wird dort jedes Jahr am 1. August als Minden-Day gefeiert. Allerdings behielt der Erfolg bei Minden einen faden Beigeschmack. Grund dafür war die angebliche Befehlsverweigerung des kommandierenden Generals der britischen Kavallerie Lord Sackville. Dieser hatte, wohl entgegen dem Befehl Ferdinands von Braunschweig-Lüneburg, der zurückweichende französische Armee nicht nachgesetzt.
Der Skandal um Lord Sackville
In Sackvilles Befehlsverweigerung spiegelte sich, wie sehr das Geschehen auf dem Schlachtfeld durch adelige Selbstinszenierung, Etikette und Rangdenken geprägt war. Ob Sackvilles Motiv darin begründet war, keinen Befehl eines vermeintlich gleichrangigen Adeligen annehmen zu wollen, oder ob er sich durch die Geheimhaltungspolitik Ferdinands nicht ausreichend informiert sah, ist unklar. Auch militärische Erwägungen mögen eine Rolle gespielt haben. Als der Befehl eintraf befand sich Sackville mit seinen Kavallerieeinheiten in einer Position hinter einem Wäldchen, von wo das Schlachtfeld nicht einsehbar war. Die Ereignisse in Minden erfuhren vor allem in London eine beachtliche mediale Aufmerksamkeit und die Zeitungen berichteten ausführlich über die Schlacht und Sackvilles Rolle.
Zurück in London wurde Sackville auf eigenes Bestreben im Frühjahr 1760 vor ein Kriegsgericht gestellt. Doch der Versuch, seine Ehre wiederherzustellen, misslang. Sackville wurde als schuldig, zum Führen einer Armee ungeeignet befunden und aus dem Dienst entlassen. Der Prozess erhielt nicht nur ein breites Echo in der Londoner Presse. Auch die Beteiligten Prozessparteien versuchten ihre Sicht der Dinge darzulegen. So ließ Sackville eine Dokumentation des Prozesses unter dem Titel The Proceedings of a general court-martial […] upon the trial of Lord George Sackville (London 1760) veröffentlichen. Darin wurde auch William Roys Plan der Schlacht bei Minden erwähnt, allerdings ohne genauer darauf einzugehen, von wem und zu welchem Zweck die Karte als Beweismittel eingebracht worden war.
William Roys Plan der Schlacht bei Minden
Die Karte der Schlacht bei Minden wurde Ende Februar 1760, zum Beginn des Prozesses gegen Lord Sackville, veröffentlicht. Es handelt sich um einen hochwertigen großformatigen (66 x 60 cm) handkolorierten Kupferstich mit Klappkarten. Die Karte ist nicht genordet, sondern nach Süd-Südost ausgerichtet. Eine Legende identifiziert die Truppenteile der der alliierten Armee.
Der Text auf der Karte beschreibt den Aufmarsch der Kombattanten und ihre Aufstellung zur Schlacht, den Schlachtverlauf mit den Positionswechsel der verschiedenen Einheiten und die Situation am Ende der Kampfhandlungen. Dargestellt sind das Schlachtfeld und die Aufstellung der Truppen nördlich von Minden. Links unten befindet sich eine Titelkartusche, mit der Widmung an Oberkommandierenden der britisch-hannoverisch-preußischen Armee Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg, der als glorreichen Sieger der Schlacht gewürdigt wird, während Sackville mit keinem Wort erwähnt ist.
Als Urheber der Karte wird William Roy, Hauptmann bei den Ingenieuren und stellvertretender Quartiermeister identifiziert. Unterhalb der Titelkartusche rastet nach der Schlacht ein braunschweig-lüneburgischer Gardist auf der Lafette einer Kanone. Seine Füße ruhen auf einem königlich-französischen Feldzeichen. Daneben liegen eine weitere französische Fahne, eine Trommel und ein Kanonenrohr.
Auf Roys Karte wurde der Verlauf der Schlacht durch einen indexierten Begleittext erläutert und mit Hilfe von Klappkarten dargestellt. Sie dienten dazu, die schnelle Abfolge der Ereignisse auf dem Höhepunkt der Schlacht zu illustrieren: das Vorrücken der Englischen Infanterie auf dem rechten Flügel, der starke Beschuss durch die französische Artillerie, und wie sich die englischen Truppen erfolgreich auf dem Schlachtfeld behaupten konnten.
Solche Klappkarten stellen eine kartografische Besonderheit dar, wurden seit dem 16. Jahrhundert benutzt, kamen aber vermehrt Mitte des 18. Jahrhunderts auf. Sie waren ein Versuch, die oft komplexen Geschehnisse während der Schlacht besser nachvollziehbar zu machen und die Beschränkungen statischer grafischer Darstellungen bei der Visualisierung dynamischer Abläufe zu überwinden. Roys Karte beschränkte sich dabei nicht auf den Tag der Schlacht, sondern umfasste einen Zeitraum von gut zwei Wochen vom Aufzug der Armeen vor Minden bis zum Abzug der geschlagenen Franzosen.
Patronage, Ruhm und Memoria
Roys Plan der Schlacht bei Minden war nicht nur ein Medium, das dem Betrachter den Ablauf der Ereignisse nachvollziehbar machen sollte. Widmung und Angaben zur Urheberschaft dienten zur Herstellung von Patronagebeziehungen. Roys Plan der Schlacht bei Minden ging auf den Wunsch von Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg zurück, seine Ingenieure sollten Karten dieses großen Ereignisses anfertigen. Die Karte sollte vor allem den Ruhm des siegreichen Feldherren mehren und diente zugleich als Vehikel für Roys Karriere. Beides gelang: Roy wurde sechs Wochen nach der Schlacht zum Hauptmann befördert und in den persönlichen Stab Ferdinands von Braunschweig-Lüneburg berufen. Die Karte selbst wurde zum Ruhm Ferdinands bald zum Teil der militärischen Erinnerungskultur.
Von Roys Plan der Schlacht bei Minden sind mehrere Exemplare überliefert, unter anderem in den Royal Collections in Windsor Castle und der British Library sowie in niedersächsischen Staatsarchiven in Hannover, Wolfenbüttel, Osnabrück und Bremen. Nach ihrem Erscheinen wurde die Karte in mehreren Fassungen, darunter einer französischen Ausgabe, die wohl von 1766 stammt, nachgedruckt.
Eine englische Fassung von Hand befindet sich in den Royal Collections. Eine deutsche von handgefertigte Kopie ist im Niedersächsischen Landesarchiv Wolfenbüttel überliefert.
Die Kopien machen auch die militärgeschichtliche Bedeutung von Roys Karte deutlich. Die Kopie in Wolfenbüttel etwa gehört zu einer Sammlung von über 500 Karten zu den Feldzügen Ferdinands von Braunschweig, deren Kern mutmaßlich als Teil der Vorarbeit zu Philipp von Westphalens (1724-1792) geplanter Geschichte der Feldzüge des Herzogs Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg entstanden war, die allerdings erst ab 1859 posthum und ohne umfangreichen Kartenteil erschien. Viele der ursprünglichen Karten stammten aus der Feder des Generalquartiermeisters der alliierten Armee, Friedrich Wilhelm von Bauer (1731-1783), der eine weitere Fassung von Roys Karte in seiner Sammlung von Karten zum Siebenjährigen Krieg, Theatre de la Guerre en Allemagne entre la Grande Bretagne et la France depuis l’An 1757 jusqu’a l’An 1762 (Den Haag 1769) veröffentlichte. Bauers erste eigene Karte zur Schlacht bei Minden war bereits 1759 erschienen.
William Roy als Kartograf
William Roy war einer der wichtigsten britischen Kartografen des 18. Jahrhunderts. Er stammte aus einer schottischen Gutsverwalterfamilie und besuchte das Gymnasium in Lanark. Über seine formale Ausbildung ist wenig bekannt. Als Quartiermeister der britischen Armee war er nach der Niederschlagung des Jakobitenaufstandes ab 1747 vor allem für die Herstellung militärischer Karten zuständig. Am Anfang dieser Arbeiten stand sein Military Survey of Scotland. Diese systematischen Landaufnahme sollte einen Beitrag zur Befriedung Schottlands leisten. Die Karte entstand zwischen 1747 und 1755 und gilt als Pionierleistung und Vorarbeit zur britischen nationalen Landvermessung, dem Ordnance Survey.
Im Siebenjährigen Krieg diente Roy auf britischer Seite als Offizier bei den Ingenieuren und war für die militärische Landaufnahme zunächst in Südengland und später auf dem Kontinent zuständig. Aus dieser Tätigkeit ging auch der Plan der Schlacht bei Minden hervor, der als das einzige eindeutig Roy zugeschriebene Dokument aus dieser Zeit galt. Mittlerweile wurden weitere Karten vor allem aus der Sammlung von Militärkarten Georg III. Roy zugeordnet. Darunter befinden sich auch verschiedene Fassungen des Plans der Schlacht bei Minden. Nach dem Siebenjährigen Krieg verfasste Roy als stellvertretender Generalquartiermeister zahlreiche, oft mit Karten illustrierte, Berichte zu Strategie und Stationierung von Truppen. Zugleich arbeitete er am Projekt einer nationalen Landvermessung für Großbritannien, das allerdings erst nach seinem Tod ab 1791 unter der Aufsicht der britischen Kriegskanzlei Board of Ordnance systematisch durchgeführt wurde. Als zentrale Grundlage eines solchen Projektes betrachtete Roy die militärische Kartografie. Roy und sein Werk stehen damit dafür, wie wichtig Krieg, militärische Interessen und Bedürfnisse für die Entwicklung der modernen Kartografie waren.
Weiterführende Literaturhinweise
Marian Füssel: Der Preis des Ruhms. Eine Weltgeschichte des Siebenjährigen Krieges1756-1763, München 2019.
Yolande Hodson: George III’s Collection of Military Maps [zuletzt aufgerufen am 29.11.2021].
Piers Mackesy: The Coward of Minden. The Affair of Lord George Sackville, New York 1979.
Frank McLynn: 1759. The Year Britain Became Master of the World, London u. a. 2004.
Yolande O’Donoghue: William Roy 1726-1790. Pioneer of the Ordnance Survey, London 1977.
Martin Steffen (Hrsg.): Die Schlacht bei Minden. Weltpolitik und Lokalgeschichte, 2. Aufl., Minden 2008.
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