Ein Plan der Göhrde mit Ansichten des Jagdschlosses von ca. 1715 (Teil 1)

Das vorliegende Blatt zeigt das Jagdgebiet in der Göhrde um 1715. Den meisten Raum des mit 113 auf 143 cm sehr großen Blattes nimmt eine Karte ein. Hinzu kommen vier Ansichten des Schlosses: links und rechts oben zwei des Hauptgebäudes sowie links und rechts unten zwei Gesamtansichten – zusammen mit Jagdgesellschaften. Zwei weitere Ansichten zeigen das Jagdwild, eine Darstellung die Jagd selbst und eine die Jagdgöttin Diana. Ferner ist eine ausführliche Legende des Plans beigegeben. Oberhalb der Karte ist das Blatt mit einem Titel bezeichnet. Dieser wird flankiert vom Wappen und Porträt des Jagdherrn: König Georg I. von Großbritannien. Unterhalb des Plans ist der Maßstab angegeben. Hinzu kommen einige mythologische Darstellungen mit Bezug zur Jagd. Eventuell stammt das Blatt aus dem Osnabrücker Schloss. Dort befand sich unter Bischof Ernst August II. in seinem Kabinett eine große Karte des Jagdgebietes in der Göhrde.

Die frühe Baugeschichte des Jagdschlosses in der Göhrde

In der Göhrde standen in der Frühen Neuzeit nacheinander verschiedene Bauten. Bereits im 16. Jahrhundert hatte sich hier ein kleines Jagdhaus mit einem Stall für Pferde sowie einem Zeughaus für die Jagdausrüstung befunden. 1652 kam es zu einem Neubau. Das schlichte Fachwerkgebäude steht noch heute. Bald folgten zahlreichen Erweiterungen mit Stallungen und Nebengebäuden. 1671 gelangte die Göhrde an das Fürstentum Celle. Unter dem neuen Landesherrn Herzog Georg Wilhelm wurde der Komplex ergänzt, und 1682 wurde ein Schlossneubau notwendig, der ab 1684 auch errichtet wurde. Anfang des 18. Jahrhunderts waren auch die Wirtschaftsgebäude vollendet.

Die Göhrde als Ort politischer Verhandlungen um 1700

Die Göhrde diente nicht nur den jährlich stattfindenden Herbstjagden, sondern wurden auch für diplomatische Zusammentreffen genutzt. König Wilhelm III. von England besuchte den Celler Herzog gern zur Jagd in der Göhrde. 1698 verhandelte man hier über die englische Thronfolge der Welfen. Jagdsitze waren in jener Zeit beliebte Orte für diplomatische Zusammenkünfte. Denn hier galt im Gegensatz zur Residenz ein lockeres Zeremoniell, und man stand nicht unter der Beobachtung des Hofes mit fremden Diplomaten, Gesandten und Spionen. Ferner konnten hier auch Menschen zusammen sein, denen die damals gültigen Standesschranken sonst ein direktes Gespräch verwehrt hätten.

Der Neubau des Jagdschlosses für Georg I. 1706-15

Das Jagdschloss in der Göhrde von Südosten.

Nach dem Tod Herzog Georg Wilhelms kam das Schloss an seinen Nachfolger, Kurfürst Georg Ludwig, der 1714 als Georg I. den britischen Thron bestieg. Das 1684 erbaute Schloss eines Herzogs genügte nicht Georgs I. Ansprüchen als Kurfürst. Zudem mussten Gäste aufgrund mangelnder Unterkunftsmöglichkeiten oft bei Bauern einquartiert werden. Und so erfolgte ab 1706 ein Neubau, der nach Plänen von Louis Remy de la Fosse bis 1711/12 vollendet wurde. Die Anlage, zu der sogar ein Theater nach Plänen von Tommaso Giusti gehörte, war entlang zweier Achsen orientiert, in deren Mitte das Hauptgebäude stand. 1715 war der Gesamtkomplex vollendet. Er verfügte über das große dreigeschossige Hauptgebäude, das daneben stehende Theater, zahlreiche Ställe mit Platz für 544 Pferde – darunter einen eigenen Stall für den Kurprinzen –, einen Jagdhof mit Hundezwinger, ein Wohnhaus für den Oberjägermeister, ein Haus für den Hofkoch sowie zahlreiche Funktionsbauten wie ein Schlachthaus oder ein Waschhaus.

Das Schloss war für politische Zusammenkünfte konzipiert. Während im dreigeschossigen Hauptflügel die Gemächer der Kurfürsten mit den Repräsentationsräumen lagen, befanden sich die Gastgemächer in den zweigeschossigen Seitenflügeln. Die Jagden dauerten im Schnitt zwei Monate. Nicht immer war Georg I. selbst anwesend. War er vor Ort, kamen auch benachbarte Landesherren zu Besuch wie der Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel oder der König von Preußen.

Das Schloss in der Göhrde war unter Georg I. und seinem Sohn Georg II. nach dem Residenzschloss in Hannover das wichtigste Schloss im Kurfürstentum. Ein solch großes Jagdschloss mit derart vielen Bauten hat es zu jener Zeit in Deutschland sonst nicht noch einmal gegeben. Erst das ab 1721 erbaute kursächsische Schloss Hubertusburg sollte das Schloss in der Göhrde übertreffen.

Die weitere Geschichte des Jagdschlosses

In der Göhrde fanden zwischen 1707 und 1753 – von fünf Unterbrechungen abgesehen – jährlich im Herbst ausgedehnte Jagdlager statt. Dabei kamen oft um die 700 Personen mit 1000 Pferden zusammen. Die Aufenthalte waren meist mit diplomatischen Aktivitäten und fürstlichen Zusammenkünften verbunden. Erst unter Georg III. verlor die Anlage 1766 an Bedeutung für den Hof. Schließlich wurde das Hauptgebäude 1827 niedergelegt. Auch die meisten Nebengebäude haben das 19. Jahrhundert nicht überlebt, obwohl die Hannoverschen Könige der Göhrde ab 1837 wieder ihr Interesse zuwandten. Erst nach 1866 unter Preußen wurde die Göhrde wieder regelmäßiger zur Jagd aufgesucht. Der alte Marstall wurde 1869 zum Schloss ausgebaut. Es folgten Umbauten und Erweiterungen. Die letzte höfische Jagd fand hier 1913 unter Kaiser Wilhelm II. statt.

Die Bedeutung der Jagd in der Frühen Neuzeit

Der Neubau des Jagdschlosses in der Göhrde durch Georg Ludwig war sein kostspieligstes Projekt. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, da er in Hannover ein recht altertümliches Residenzschloss besaß, das er nicht erneuern ließ. Offenbar vermeinte er, mit seinem Jagdschloss mehr Anerkennung zu finden, als mit einem erneuerten Residenzschloss. Und das führt uns zu der Frage, warum die Jagd ihm derart wichtig war.

Die Jagd war das absolute Statussymbol in der Frühen Neuzeit. Sie kann für jene Zeit nicht ohne den landesherrlichen Hof betrachtet werden. Sie gehörte zu den höfischen Festveranstaltungen. Die Jagd war in der Frühen Neuzeit aber auch ein landesherrliches Vorrecht und damit ein Politikum. Aufgrund des landesherrlichen Jagdregals durfte niemand außer dem Landesherrn selbst jagen, Tiere verfolgen oder fangen, es sei denn, es war ihm erlaubt. Wer kein Jagdrecht hatte, konnte es weder kaufen noch erwerben, sondern nur vom Landesherrn erhalten. Die Beherrschung der Jagd stellte nicht nur einen der wesentlichen Teile des fürstlichen Lebens dar, sie galt den damaligen Zeitgenossen auch als eine wichtige Voraussetzung zur Regierungsfähigkeit. Sowohl physische als auch ethische und psychische Gründe wurden angeführt. Ja, die Jagd als „tapferer Krieg in Friedenszeiten“ wurde sogar als Beweis für den Friedenswillen angesehen, da man, anstatt Krieg gegen Menschen zu führen, Jagd auf Tiere veranstaltete. Die höfische Jagd war daher keine sportliche Veranstaltung oder bloßes Vergnügen, sondern Ausweis von Landesherrschaft. Der Jagdherr stellte sich als unangefochtener Landesherr, kluger Staatsmann, tapferer Krieger und Friedensfürst zugleich dar.

Die Jagd war in eine Hohe Jagd, teilweise eine Mitteljagd und eine Niederjagd eingeteilt. Zur Hohen Jagd gehörten beispielsweise Hirsche und Bären, zur Mitteljagd Rehe und Wildschweine, zur Niederjagd Hasen und Füchse. Die Hohe Jagd stand ausschließlich dem Landesherrn zu, die Mittel- und die Niederjagd durfte meist der Adel ausüben, die Niederjagd selten auch Städter. Einladungen zur Hohen Jagd galten als ein Zeichen besonderer Wertschätzung. Für hochrangige Gäste wurden fast immer große Prunkjagden mit außergewöhnlichem Aufwand ausgerichtet.

 

Die Parforcejagd

Eine Parforcejagd in der Göhrde.

In der Göhrde wurde fast ausschließlich die Parforcejagd auf Hirsche betrieben. Die Parforcejagd stammte aus Frankreich, war sehr aufwendig und bereits 1670 durch Herzog Georg Wilhelm im Herzogtum Braunschweig und Lüneburg eingeführt worden. Im Deutschen Reich übten im 18. Jahrhundert nur wenige Höfen diese kostspielige Jagdart über einen längeren Zeitraum aus, nämlich Kurbrandenburg, Kursachsen, Kurhannover, Kurköln, Sachsen-Weimar, Mecklenburg, Württemberg, Hessen-Darmstadt, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau und Waldeck. Die Hannoversche Parforcejagd galt dabei als die älteste.

Für die Parforcejagd mussten die Wälder eigens eingerichtet werden. Unter großem zeremoniellem Aufwand hetzte man ein einzelnes Tier gleich mit mehreren Hundemeuten. Dazu musste ein entsprechender Hirsch gefunden werden, der den Strapazen lange genug standhalten konnte. Die Jagd selbst erfolgte durch die Parforcejäger. Die adelige Gesellschaft sah entweder zu, folgte dem Jagdgeschehen in Kutschen oder ritt mit der Jägerei hinter dem flüchtenden Wild einher. Über den jeweiligen Stand der Jagd und den Aufenthaltsort des Hirsches informieren Jagdhornsignale. Zudem dienten die Hornsignale auch zur Anleitung der Hundemeute. Hierzu gab es eigene Parforcehörner. Da der Hirsch nicht entkommen sollte, war das Jagdgebiet mit Schneisen und Wegen versehen, die entweder die Form eines Sterns hatten oder das Gebiet auch orthogonal gliederten. Genau diese beiden Varianten zeigt auch der hier vorgestellte Plan der Göhrde. An zentralen Orten – sogenannten ‚Relais‘ – stelle man Hundemeuten und Ersatzpferde auf, um die ermüdeten Pferde und Hunde über die Achsen und Wege schnell ablösen zu können. Die Verfolgung dauert so lange, bis der Hirsch stürzte, zusammenbrach oder sich der Hundemeute stellte. Da die Jagd sehr gefährlich war, wurde sie bereits Ende des 18. Jahrhunderts wieder aufgegeben, aber erst 1936 offiziell verboten.

Teile der Jagdgesellschaft fahren Kutschen zur Jagd.
Jäger mit Parforcehorn.

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