Ein Plan der Göhrde mit Ansichten des Jagdschlosses von ca. 1715 (Teil 2)

Wenden wir uns nun genauer dem Plan zu und betrachten ihn von oben nach unten. Er ist betitelt mit „PLAN de la FOREST de GOERDE propre pour la Chasse du Cerf, aux plaisirs de Sa Majesté le Roy de la grande Bretagne dans ses Etats de Bronsvic Lünebourg. Ce Plan representant en particulier les parties et Cabells du Göerde, et les routes pour la Chasse qui les traversent, les Bornes du Forest de Göerde sont marqué rouge, et les Cabells avec jaune.“ Es handelt sich also um einen Plan des Waldes, in dem der britische König in seinen braunschweig-lüneburgischen Landen Hirsche jagt. Er zeigt die Schneisen und Jagdwege des Waldes und seine in rot markierten Grenzen. Zur Linken des Textes ist das Wappen Königs Georgs I. zu sehen, rechts sein Bildnis. Er trägt seinen Krönungsornat. Er lässt sich ganz klar als britischer Herrscher darstellen und nicht als hannoverscher Kurfürst.

Der Titel der Karte. Links das Vollwappen König Georgs I. von Großbritannien und rechts sein Porträt.

Unter dem Titel befindet sich die Karte. Die rote Umrandung zeigt die Grenzen des Jagdgebiets auf. Seine Zugänge sind durch Schlagbäume gesperrt. Ein Schneisenkreuz erschließt den Jagdwald. Diese beiden Schneisen sind breiter als alle anderen und haben repräsentative Aufgaben. Die eine läuft direkt auf das Hauptgebäude des Schlosses zu. Das Kreuz ordnet den Wald und man kann durch die eine der Schneisen aus dem Schloss in den Wald schauen. Die Schneise verdeutlicht dem Betrachter, dass es sich bei dem Wald nicht um eine Wildnis handelt, sondern um ein dem Willen des Landesherrn unterworfenes Jagdrevier. Die anderen Schneisen sind schmaler und folgen den praktischen Bedürfnissen der Parforcejagd.

Das Jagdgebiet der Göhrde.

Das Waldgebiet war spätestens 1724 mit Schneisen und Wegen versehen worden, die auch vom Wald umschlossene Freiflächen durchschnitten. Das weithin gerühmte Wegenetz war im Auftrag Georgs I. von Olivier de Beaulieu-Marconnay angelegt worden. In der Mitte des Forstes befand sich der „Große Stern“, der Ort, an dem sich die beiden Achsen rechtswinkelig schnitten. Sowohl das Achsenkreuz als auch die Jagdrouten wurden regelmäßig von Laub und Bewuchs befreit, um den Ablauf der Jagd zu gewährleisten. Auf dem Plan sind auch drei der Relais für Pferde und Hunde eingetragen. Eines befand sich am Botterbusch – links unten direkt an der Grenze des Jagdgebietes. Ein weiteres befand sich beim Schlagbaum in der Hohenzet(hen)er Heide – ganz unten auf der Karte.

Ein drittes Relais Muspan ist rechts eingetragen bei Zinnitz (Zienitz). Nicht vermerkt ist das Relais bei der Wildscheuer. Es befand sich beim Großen Stern in der Mitte des Komplexes und hielt nur Pferde, aber keine Hunde bereit.

Das Hauptgebäude, links von Nordosten und rechts von Südwesten.

Die beiden seitlichen Bilder oben rechts und links zeigen das Hauptgebäude des Schlosses – links von der Eingangsseite und rechts von Gartenseite. Wie auch beim Schloss in Hannover-Herrenhausen ist der Hof zum Garten hin geöffnet und mit einem Gitter verschlossen.

Der dreigeschossige Hauptflügel wird in den mittleren Achsen an jeder Seite von einem Dreiecksgiebel überfangen. Beide Giebel präsentieren Reliefs, die eine Parforcejagd zeigen. Somit wurde jedem Besucher, egal von welcher Seite er sich dem Gebäude näherte, die Funktion des Baus gezeigt. Das Gebäude links neben dem Schloss ist das Theatergebäude von Tommaso Giusti. Dieses verfügte über keine eigene Verbindung zum Schloss, was Kurfürstin Sophie sehr bedauerte. Sie ließ das kurze Stück bei schlechtem Wetter in einer Sänfte tragen. Rechts neben dem Schloss erblickt man ein Küchengebäude.

Das Wild in der Göhrde.

Die Bilder rechts und links unter den Schlossansichten zeigen Szenen aus dem Jagdwald. Friedlich sieht man das Wild über eine Koppel sowie eine Schneise ziehen. Im Hintergrund wird wiederum Schloss gezeigt. Unter diesen Darstellungen folgt dann rechts und links die Legende des Plans.

Links: eine Parforcejagd in der Göhrde, rechts: die Jagdgöttin Diana in der Göhrde.

Links unter der Legende erblickt man eine Parforcejagd. Der Hirsch ist aus dem Wald getrieben und versucht, über eine Wiese zu fliehen. Die Jagdhunde sind dicht hinter ihm, gefolgt von berittenen Jägern. Einige haben ein Parforcehorn geschultert, mit dem sie Jagdsignale geben. Gegenüber erblickt man die antike Jagdgöttin Diana mit ihren Nymphen, denen das Jagdrevier in der Göhrde offenbar so gut gefällt, dass sie Griechenland verlassen haben, um in Niedersachsen zu jagen.

Das Jagdschloss in der Göhrde von Nordwesten, im Vordergrund eine Parforcejagd.

Ganz unten auf dem Blatt sind links und rechts sind zwei Ansichten der Gesamtanlage des Schlosses zu sehen. Im Vordergrund erblickt man zudem die höfische Gesellschaft auf der Parforcejagd. Links fällt der Blick von Nordwesten auf das Schloss. Im Vordergrund hetzt die Jagdgesellschaft gerade einen Hirsch – er ist ganz links zu sehen. Hinter ihm folgen Hunde und Jäger mit Parforcehörnern. An diese schließt sich die reitende höfische Jagdgesellschaft an.

Ferner sieht man vor allem die Nebengebäude des Schlosses, zu denen zahlreiche Stallungen gehören. Gegenüber dem Schloss rechts ist der Stall des Königs von 1711 dargestellt. Eine Durchfahrt ermöglicht den Zugang zum Schloss. Allein dieses Stallgebäude nahm 56 Pferde auf. Ferner hatten gehobene Stallbedienstete hier ihre Wohnung. Es folgen weitere Stallungen und Remisen, die links zu sehen sind. Zu ihnen gehörte ein eigener Stall für die Pferde des Kurprinzen – Georg II. war nicht mit seinem Vater nach England gegangen, sondern in Hannover geblieben –, ein so genannter Neuer Stall mit 102 Ständen, ein so genannter Hannoverscher Stall mit 32 Ständen und ein Fürstlich-Osnabrückischer Stall – denn der Fürstbischof von Osnabrück, Ernst August II., war der Bruder Georgs I. Hinzu kamen ein so genannter Celler Stall und ein Parforce-Stall. Insgesamt fanden über 500 Pferde in den Ställen Platz, die in der Tat während der Hetzjagden zum Wechseln der ermüdeten Tiere alle benötigt wurden.

Das Schloss in der Göhrde von Südwesten und der Beginn einer Jagd.

Die Ansicht rechts unten zeigt das Jagschloss von Südosten. Man sieht in den Schlosshof, der mit einem Gitter abgeschlossen ist. Hinter dem Schloss erblickt man wiederum den Marstall des Königs. Rechts stehen Küche, Verwaltungsbauten und das Theater. An der Ehrenhofseite befinden sich vor dem Schloss zwei Pavillons. Der linke nahm eine Wache auf, der rechte diente Pagen. Vor dem Schloss erkennt man die 1711 frisch gesetzten Lindenbäume. Georg I. verwendete viel Zeit und Geld auf das Anpflanzen von Lindenalleen in der Göhrde. Der Standort war jedoch ungeeignet und schließlich wurden die Linden durch Tannen ersetzt.

Im Vordergrund der Darstellung ist die höfische Gesellschaft gerade zur Jagd aufgebrochen. Die Berittenen begeben sich in den Wald. Das nahe Wild lässt sich kaum von den Menschen stören. Es besteht keine Gefahr, da die Jagd sich nur auf einen ausgewählten Hirsch konzentrieren wird. Im Hintergrund erkennt man weitere Mitglieder des Hofes, die nicht aktiv an der Jagd teilnehmen, sondern deren Verlauf von sicheren Wegen aus zu Pferde oder in Kutschen folgen wollen.

Mythologische Szenen und Maßstab.

Ganz unten werden zusammen mit dem Maßstab Figuren aus der antiken Mythologie gezeigt. Damit wird die Göhrde an die Antike angebunden und so mit der Weltgeschichte der Jagd verknüpft. Der Betrachter des vorliegenden Blattes soll natürlich zu dem Schluss kommen, dass die dargestellte Anlage der Höhepunkt der Jagdgeschichte sei. Links bringen bocksbeinige Faune erlegte Hirsche zur Strecke. Recht steht Diana mit ihren Jagdhunden. Die zentrale Kartusche zeigt den antiken Helden Herkules, wie er die Kerynitische Hirschkuh fängt. Sie war der Göttin Diana geweiht und durfte daher nicht getötet werden. Herkules hetzte das Tier daher bis zur Erschöpfung – hier ist der Bezug zur Parforcejagd – und fing sie anschließend lebend, was ein Verweis auf die waidgerechte Jagd ist. Die Kartusche wird gerahmt von einer Bracke und einem Wildschwein. Das ist ein Verweis auf die Schwarzwildjagd und der einzige Bezug auf eine andere Jagdart als die Parforcejagd.

Die Stellung der Karte  

Die Karte stellt auf nahezu einzigartige Weise das damals bedeutendste Jagdschloss in Deutschland dar. Am wichtigsten bei einem Jagdschloss war das Jagdgebiet. Es folgt das Wild und die Jagd auf dieses sowie die Architektur vor Ort. Dementsprechend nimmt der Plan den größten Raum ein. Die Darstellungen des Schlosses, des Wildes und der Jagd erläutern ihn nur. Alles wird genau wiedergegeben und stellt damit ein genaues – aber ideales – Abbild höfischer Parforcejagd in Deutschland um 1715/20 dar.

So bemerkenswert die Karte ist, so ist sie doch nicht einzigartig. In der British Library hat sich ein nahezu identisches Blatt von 1717 erhalten. Der Künstler ist ebenfalls unbekannt. Der Titel ist leicht abgewandelt und lautet: „PLAN DE LA FOREST DE GOERDE ET DE LA MAISON DE CHASSE DE Sa Majesté le Roy de la grande Bretagne dans ses Etats de Bronsvic-Lunebourg ce Plan representent en particulier les Parties et Cables du Goerde et les Routes pour la Chasse qui les traversent, il y a deux petites Cartes de la Situation aux Côtés qui marquent les Forest et Bois ou la Chasse se peut entendre a 4 lieu a l’entour 1717“. Hier wird auch schon der wichtigste Unterschied zum Plan aus der GWLB genannt: Anstatt der Legende sind an den Seiten zwei Karten eingezeichnet, die die Lage der Göhrde wiedergeben. Die Legende befindet sich an der Stelle, wo in der hannoverschen Karte die beiden Wilddarstellungen und Jagdszenen sowie die Dianagruppe abgebildet sind. Ferner wurde das Porträt Georgs I. rechts neben der Betitelung durch eine Profilansicht ausgetauscht. Die beiden unteren Ansichten des Schlosses mit der höfischen Gesellschaft wurden lediglich in Details geändert.

Leider ist unbekannt, für welchen Zweck das in Hannover verwahrte repräsentative Blatt angefertigt wurde. Sicher sollte es gesehen werden, es diente nicht nur der Dokumentation. Dass es sich – wie eingangs vermutet – um die im Osnabrücker Schloss gezeigte Karte handelt, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Dort könnte sich ebenso gut das Londoner Blatt befunden haben. Die Karte aus Hannover ist aber die ältere Version. Das erkennt man daran, dass auf dem Londoner Blatt auf der linken Ansicht des Schlosses vor dem Gebäude bereits Bäumchen aufgestellt sind, die auf dem hannoverschen Blatt noch fehlen.

Literatur:

Adam, Bernd: Vergessene Pracht. Die kurhannoverschen Residenzbauten Georg I. in: Barmeyer, Heide (Hrsg.): Hannover und die englische Thronfolge (Hannoversche Schriften zur Regional- und Lokalgeschichte, 19). Bielefeld 2005. S. 199-231.

Köhler, Volkmar: Jagdschloß Göhrde. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 8, München und Berlin 1969, S. 169-200.

Laß, Heiko; Schmidt, Maja: Zur höfischen Jagd in Deutschland. Eine wahrhaft ritterliche Uebung, in: Berns, Jörg Jochen u. a. (Hrsg.): ErdenGötter. Fürst und Hofstaat in der Frühen Neuzeit im Spiegel von Marburger Bibliotheks- und Archivbeständen (Schriften der Universitätsbibliothek Marburg, 77), Marburg 1997, S. 388-437.

Laß, Heiko/Steinau, Norbert: Die höfische Jagd der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg in Celle in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Laß, Heiko (Hrsg.): Hof und Medien im Spannungsfeld von dynastischer Tradition und politischer Innovation zwischen 1648 und 1714. Celle und die Residenzen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation (Rudolstädter Forschungen zur Residenzkultur, 4). München und Berlin 2008, S. 181-207.

Prüser, Jürgen: Die Göhrde. Ein Beitrag zur Geschichte des Jagd- und Forstwesens in Niedersachsen (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, 74). Hildesheim 1969.

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