Landkarten im 16., 17., und 18. Jahrhundert waren häufig reine Verlagsprodukte, die nichts mit den politischen Veränderungen der Zeit zu tun hatten. Dies änderte sich mit den Umwälzungen, die durch den napoleonischen Herrschaftsanspruch entstanden. Im Gebiet des heutigen Niedersachsens machten fast alle Bürger zwischen 1800 und 1816 einen mehrfachen Herrschaftswechsel durch. Dies soll besonders an zwei Beispielen gezeigt werden. Es geht einerseits um die Gebiete an Ems, Weser und Elbe und andererseits um das Gebiet des von Napoleon neu geschaffenen Königreichs Westphalen, das nicht identisch ist mit der geschichtlich gewachsenen Landschaft Westfalen. Viele Karten zu diesen Veränderungen entstanden im Geographischen Institut in Weimar. Allerdings sind oft nur wenige Exemplare erhalten geblieben, da das Papier, auf dem gedruckt wurde, sehr schlecht war und außerdem für deutsche „Patrioten“ die Zeit Napoleons eine Zeit der Unterdrückung war, die man u.a. dadurch schnell vergessen wollte, dass man die Landkarten aus dieser Zeit vernichtete.
„Karten sind das Auge der Geschichte“
Anlässlich des Gedenkens an die napoleonische Besatzungszeit bekamen Karten, die in der Regel keine besonderen Kunstwerke darstellen, die man an die Wand hängen möchte, sondern – getreu dem Motto von Abraham Ortelius „Karten sind das Auge der Geschichte“ – geschichtliche Zeugnisse darstellen, eine neue Aufmerksamkeit. In Ausstellungen, Symposien und Büchern wurden sie zur Dokumentation der Ereignisse zwischen 1795 und 1815 herangezogen. Die Digitalisierung von Karten durch die Landesbibliotheken und Landesarchive führt dazu, dass immer mehr dieser seltenen Karten Nutzern zugänglich gemacht werden.
Das Geschehen im Nordwesten Deutschlands wurde zwischen 1795 und 1815 sehr massiv von den Vorgängen in den benachbarten Niederlanden beeinflusst. Mit der Errichtung des Königreichs Westphalen wurde die politische Einteilung des bis dahin existierenden Gebietes von Kurhannover mehrfach verändert.
Ostfriesland zwischen 1795 und 1815
Als in der Folge der Französischen Revolution die Kriege der alten Mächte gegen das revolutionäre Frankreich begannen, musste Ostfriesland befürchten, Kriegsschauplatz zu werden. Am 1. Februar 1793 kam es zur Kriegserklärung Frankreichs an Großbritannien und die Vereinigten Niederlande. Im Winter 1794/1795 rückten französische Truppen in die Niederlande ein. Amsterdam wurde am 19. Januar 1795 eingenommen, an diesem Tag wurde dann auch die Batavische Republik ausgerufen. Die Batavische Republik musste mit hohen Kontributionen eine französische Armee von 25.000 Mann auf ihrem Staatsgebiet unterhalten und 100 Millionen Gulden für die Kriegskosten zahlen. Sie war zu einem Satelliten Frankreichs geworden.
Anfang 1795 standen französische Truppen im Rheiderland und bedrohten das restliche Ostfriesland, doch der Frieden zu Basel im April 1795 zwischen Preußen und Frankreich entschärfte die Lage und bescherte dem preußischen Ostfriesland und vor allem seiner Schifffahrt die profitablen Segnungen der Neutralität in kriegerischen Zeiten.
Ostfriesland wird Teil des Königreichs Holland
Aber im Jahr 1806 setzte Napoleon der Batavischen Republik ein Ende, indem er die Monarchie in den Niederlanden einführte und seinen Bruder Louis zum Regenten des Königreichs Holland erhob. Am 9. Oktober 1806 erklärte Preußen Frankreich den Krieg, dies war u.a. eine Reaktion auf die Gründung des Rheinbundes, einer Militärallianz deutscher Staaten (u.a. der Königreiche Bayern und Baden-Württemberg, der Fürstentümer Baden, Nassau) mit Frankreich. Am 25. Oktober 1806 setzten holländische Truppen über die Ems und zogen in Leer ein. Einige Tage später marschierten sie nach Emden und Aurich.
Im Frieden zu Tilsit (Juli 1807) musste Preußen alle Gebiete westlich der Elbe an das Kaiserreich Frankreich abgeben. Napoleon bestimmte, dass Ostfriesland, das Jeverland, Varel und Knyphausen als 11. Departement dem Königreich Holland angegliedert werden sollten. Das Rheiderland wurde der Provinz Groningen hinzugefügt. Am 11. März 1808 erfolgte in Aurich die feierliche Übernahme des Departements Ems-Oriental durch das Königreich Holland. Ostfriesland war jetzt eine holländische Provinz, die Bewohner Untertanen des französischen Königs Ludwig Bonaparte von Holland.
Norddeutschland wird – wenn auch nur für kurze Zeit – französisch!
Im Zuge der Politik der Kontinentalsperre ließ Napoleon die deutsche Nordseeküste bis Hamburg samt dem Hinterland vom Rhein bis zur Elbe und weiter bis nach Lübeck am 1. Januar 1811 durch ein Dekret vom 12. Dezember 1810 von Frankreich annektieren. Teile Ostfrieslands und des Jeverlandes waren bereits 1806 als Department Oost-Friesland des Königreichs Holland in den französischen Machtbereich geraten. Im Jahr 1810 kam die Region schließlich als Département Ems-Oriental (Osterems) unmittelbar zum französischen Kaiserreich. Das Herzogtum Oldenburg gehörte zwar seit dem 14. Oktober 1808 dem Rheinbund an, aber Napoleon besetzte 1810 auch das Gebiet seines Alliierten und fügte es in das bestehende Departement der Wesermündung ein.
Das Gebiet entlang der Nordsee und nördlich einer Linie von Münster bis etwa Lübeck umfasste die Herzogtümer Lauenburg und Oldenburg, die Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck, die nördlich der Lippe gelegenen Teile des Herzogtums Arenberg-Meppen, das Fürstentum Salm, nördlich der Lippe gelegene Teile des Großherzogtums Berg, das ehemalige Kurfürstentum Hannover sowie Teile des Königreichs Westphalen (insbesondere das frühere Fürstbistum Osnabrück und Teile des früheren Fürstentums Minden).
Parallel zu dieser Linie sollte die Route Imperiale Nr. 3 von Paris über Reims, Namur, Maastricht, Wesel, Münster und Osnabrück nach Hamburg verlaufen. Es blieb bei kleinen Streckenabschnitten, die fertiggestellt worden sind.
In diesem Zusammenhang wurden die drei hanseatischen Departements gegründet:
Das Departement der Elbmündung (frz. Département des Bouches de l’Elbe),
das Departement der Wesermündung (frz. Département des Bouches du Weser)
und das Departement der Ober-Ems (frz. Département de l’Ems-Supérieur).
Das Departement der Ober-Ems umfasste im heute niedersächsischen Gebiet ganz oder teilweise das Osnabrücker Land, das Emsland und das Oldenburger Land, davon vor allem den südlichen Teil (Oldenburger Münsterland). Nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig wurde das Departement nach einer kurzen Zeit der Restaurierung der alten Territorien und provisorischer Verwaltungsgebiete folgendermaßen aufgeteilt: Der überwiegende Teil des Departements kam zum Königreich Hannover. Dies waren im Wesentlichen der Distrikt Osnabrück, der Distrikt Lingen, Teile des Distrikts Quakenbrück und ein kleiner Teil aus dem Distrikt Minden. Ein weiterer Teil fiel an das wiederhergestellte und zum Großherzogtum erhobene Oldenburg. Diese Gebiete umfassten im Wesentlichen den Distrikt Quakenbrück.
Die „Franzosenzeit“ in Bremen
Französische Geheimpolizei, hohe Steuern und Abgaben an die Zentralregierung sowie die Aushebung von Soldaten, vor allem die Konskription von 325 Seeleuten für die Marine, ließen die Franzosenzeit in Bremen als Zeit der Unterdrückung erscheinen. Aber diese Zeit dauerte nicht lange.
Am 15. Oktober 1813 zog der russische Generalmajor Friedrich Karl von Tettenborn in Bremen mit seiner Reiterei ein. Er setzte eine provisorische Regierungskommission ein. Bereits am 6. November 1813 konstituierte sich der Rat der Stadt neu und führte die alten Bremer Rechte wieder ein. Aus dem immer noch besetzten Hamburg wurden über 1.000 Flüchtlinge aufgenommen. Am 10. April 1814 läuteten in Bremen dann alle Glocken um den Sieg und die Besetzung von Paris zu feiern.
(Siehe die einzelnen Blätter: https://gauss.suub.uni-bremen.de/suub/hist/index.jsp?id=V.2.a.235-745a.
Zusammenfügung durch M. Remmers für die Ausstellung „Karten erzählen Geschichten“! )
Die Franzosenzeit in Hamburg
Auch ohne militärisches Eingreifen hatten es die Franzosen geschafft, schon ab 1803 die Hansestädte unter ihren Einfluss zu bringen. Sie nahmen in Hamburg, Bremen und Lübeck Kredite im Wert von vielen Millionen Mark auf. Die französische Gegenleistung sollte darin bestehen, die Existenz der drei Stadtstaaten zu garantieren und gegebenenfalls zu verteidigen. Es handelte sich ganz klar um eine außenpolitische Schutzgelderpressung. Somit begann für die Hansestädte die „Franzosenzeit“ schon im Jahr 1803. Am 14. Juni 1803 besetzten französische Soldaten das hamburgische Amt Ritzebüttel an der Elbemündung. Französische Truppen waren ab sofort in der Lage, jedes englische Schiff auf Weser und Elbe zu beschießen. Darauf reagierte die britische Regierung und unterwarf die Elbe- und Wesermündung einer Blockade, die zunächst bis 1805 dauern sollte.
Auch die Stadt Hamburg hatte seit 1806 eine französische Besatzung, und zum 1. Januar 1811 wurde auch sie zu einer französischen Stadt und verlor endgültig ihre Souveränität. Im Juli 1811 wurde Hamburg zur Hauptstadt vom neuen französischen Department des Bouches d’Elbe. Trotz des Status als französische Stadt, nahmen Repressionen und finanzielle Forderungen seitens der Franzosen zu. Dies trieb den Unmut und Protest in den Unterschichten gegenüber den französischen Herrschern voran. Er entlud sich am 24. Februar 1813 in einem Volksaufstand, der allerdings schnell von den Besatzern beendet wurde. Jedoch zogen die Franzosen aufgrund der heranrückenden Alliierten am 12. März 1813 aus Hamburg ab. Unter großem Jubel der Bevölkerung marschierte am 18. März 1813 ein russisches Truppenkontingent unter Führung von General Tettenborn in Hamburg ein. Tettenborn musste sich allerdings am 29. Mai 1813 wieder zurückziehen und die Franzosen besetzten am darauffolgenden Tag erneut die Stadt. Diesmal traf es die Hamburger erheblich schlimmer als bei der vorangegangenen Besetzung. Napoleon verlangte erneut finanzielle Mittel in Form von Strafkontributionen, um seine leeren Kriegskassen aufzufüllen.
Außerdem wurde der Belagerungszustand über Hamburg verhängt und die Stadt befestigt. Zahlreiche Gebäude außerhalb des Stadtkerns mussten einem freien Schussfeld weichen und wurden abgerissen. Viele Menschen wurden obdachlos und litten Hunger. Unnötige Esser wurden aus der Stadt gewiesen. Anfang des Jahres 1814 wurde die Stadt dann von den alliierten Truppenverbänden belagert, aber erst Ende Mai 1814 eingenommen.
Literatur:
Albers, Lutz: Als Ostfriesland ein paar Jahre holländisch war. In: Ostfriesland-Magazin. 2011, H. 3, S.62-65.
Stubbe da Luz, Helmut: „Franzosenzeit“ in Norddeutschland (1803 – 1814) : Napoleons Hanseatische Departements. Bremen, 2003
Stubbe da Luz, Helmut u. Swantje Naumann: Die französischen Besatzer in Hamburg. Zeugnisse zu den Jahren 1811 – 1814. Hamburg, 2013.
Uitterhoeve, Wilfried: Koning, keizer, admiraal. 1810, de ondergang van het Koninkrijk Holland. Nijmegen, 2010.
Pladies, Harry: Ostfriesland im Zeitalter Napoleons. Leer, [1966].
van der Heijden, H.A.M.: De kaart van Nederland in de Franse tijd 1795 – 1814 . Alphen aan den Rijn, 2000.