Kurhannover und das Königreich Westphalen
Karte des Kurfürstentums Hannover und der umliegenden Gebiete im Jahr 1800
Die Besetzung des Kurfürstentums Hannover
Im Jahr 1803 traf Napoleon eine Reihe weltpolitisch bedeutsamer Entscheidungen, die starke Auswirkungen auf Norddeutschland haben sollten. Er verkaufte das riesige Louisiana an die Washingtoner Regierung, um sich in Mitteleuropa auf eine Auseinandersetzung mit den Engländern einzurichten. Die Engländer stellten fest, dass Napoleon seinen Einflussbereich in Europa immer weiter vergrößerte. Er hatte Piemont annektiert, die Schweiz unter seine Schutzherrschaft gezwungen und weigerte sich, Holland wieder aus dem Status des Satellitenstaates zu entlassen, was im Frieden von Luneville vereinbart worden war. Napoleon wollte auf die Forderung der Engländer nach einem Rückzug aus der Schweiz und Holland nicht eingehen, und so erklärte die britische Regierung am 18. Mai 1803 den Franzosen den Krieg.
Da eine Eroberung Englands unmöglich erschien, konzentrierte sich Napoleon nun auf die Besetzung des Kurfürstentums Hannover, das seit 1714 in Personalunion mit Großbritannien vereint war. Damit wollte er den Einfluss der Engländer in Norddeutschland zurückdrängen. Der französische General Édouard Mortier marschierte am 4. Juni in Hannover ein und stellte dem hannoverschen General Wallmoden in der Konvention von Artlenburg (5. Juli 1803) folgende Bedingungen: Das hannöversche Heer wird entwaffnet und aufgelöst; Munition und Pferde werden dem Sieger zuteil; das ganze Land bleibt unter französischer Zwangsverwaltung. So hatte Napoleon sein erstes Ziel erreicht, weitere Befehle an General Mortier lauteten: Mortier sollte seine Truppen aus dem eroberten Land heraus versorgen, viele Gefangene machen und den Bestand seiner Armee an Pferden und Artillerie aufstocken. Darüber hinaus sollte er alle öffentlichen Kassen mit Beschlag belegen und eine provisorische Regierung einsetzen.
Später verließen die französischen Truppen das Land, um gegen Österreich zu kämpfen. Im Oktober 1805 marschierten erste preußische Truppen in Kurhannover ein. Durch den Vertrag von Paris vom 15. Februar 1806 wurde Kurhannover von Preußen mit französischer Erlaubnis besetzt. Der Vertrag und die Sperrung preußischer Häfen für englische Schiffe führten zur Kriegserklärung Großbritanniens gegen Preußen am 11. Juni 1806. Wenige Monate später führte Preußen Krieg gegen Frankreich und verlor. Die meisten Gebiete von Kurhannover wurden teils 1807, teils 1810 in das von Napoleon neu geschaffene Königreich Westfalen (1807 – 1813) integriert. Dieses gehörte zum Rheinbund, der mit Frankreich verbündet war.
Das Königreich Westphalen
Das Königreich Westphalen wurde nach dem Frieden von Tilsit von Napoleon Bonaparte per Dekret vom 18. August 1807 für seinen jüngsten Bruder Jérôme geschaffen. Hauptstadt wurde die bis dahin kurhessische Hauptstadt Kassel. Mehr als die Hälfte der Einwohner dieses neuen Staates bestand aus Untertanen ehemals preußischer Landesteile. Das Staatsgebiet umfasste im Wesentlichen das Kurfürstentum Hessen, das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel und die links der Elbe liegenden Kerngebiete der preußischen Monarchie sowie ab 1810 das gesamte Territorium des Kurfürstentums Hannover, nicht aber das 1803 untergegangene Herzogtum Westfalen.
Das Königreich Westphalen war als napoleonischer Musterstaat gedacht, der sich durch eine moderne Verwaltung und Justiz auszeichnen sollte. Das Königreich wurde ursprünglich durch Dekret vom 24. Dezember 1807 in acht Departements eingeteilt. Es waren dies das Departement der Elbe (mit Amt Calvörde), Departement der Fulda, Departement des Harzes, Departement der Leine, Departement der Oker, Departement der Saale, Departement der Werra und das Departement der Weser, mit insgesamt fast zwei Millionen Menschen. Im Jahr 1809 erschien dann die geographische Darstellung des Gebietes, mit einer General-Charte und 8 Karten der oben genannten Departements.
Im Jahr 1810 kamen die Departements der Aller (Hauptstadt Hannover), der Elbe- und Weser-Mündung (Hauptstadt Stade) und der Niederelbe (Hauptstadt Lüneburg) hinzu. Dies führte 1813 zu einer zweiten Ausgabe des Atlasses, in der die Karte des Departements der Weser durch die Karte des Departements der Aller ersetzt wurde.
Beide Atlanten liegen mit ihren Karten als Digitalisate vor, die Ausgabe von 1809 bei der GWLB Hannover und bei der ULB Münster, die Ausgabe von 1813 im Portal der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB).
Die Karte des Departements der Aller ist im Gegensatz zu vielen anderen Karten der napoleonischen Zeit sehr sorgfältig ausgeführt worden und gibt dem Betrachter mit Hilfe einer Zeichenerklärung und einer Tabelle viele Informationen über die administrative Gliederung des Departements an die Hand.
Das Ende der französischen Besatzungszeit
Die westfälische Verwaltung ging nach 1813 weitgehend in den Nachfolgekommissionen der wiederentstandenen preußischen, hessischen und hannoverschen Fürstenstaaten auf. Auf dem Wiener Kongress erklärte sich das von Napoleon I. aufgelöste Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg („Kurhannover“) am 12. Oktober 1814 selbst zum Königreich Hannover.
Zur Überraschung der Bewohner gehörte jetzt auch das Fürstentum Ostfriesland zum Königreich Hannover. Auch andere Bereiche Norddeutschlands wurden dem Königreich zugeteilt, sodass die Umrisse des heutigen Niedersachsen im Wesentlichen geformt waren. Die folgende Karte zeigt uns die neue Gliederung des Königreichs Hannover (siehe die schöne Farbtabelle, die die Farben der neuen Provinzen angibt).
Literatur:
Bethan, Anika: Napoleons Königreich Westphalen. Lokale, deutsche und europäische Erinnerungen. Paderborn u.a., 2012
König Lustik!? Jérôme Bonaparte und der Modellstaat Königreich Westphalen. [Katalogred.: Maike Bartsch u.a.]. Ausst.Kat. Kassel. München, 2008